Geschichte

Zur Geschichte der Heilandskirchgemeinde Dresden-Cotta

1. Das Wachstum des Ortsteils Cotta 

Cotta war ein kleines, um Froschteiche gebautes Bauern- und Häuslerdorf, das seit 1328 als Kottowe urkundlich bekannt ist. Wie viele umliegende Dörfer gehörte es zu Kirche und Friedhof in Briesnitz. 

Im 19. Jahrhundert begann Cotta in Folge der Elbanbindung zur Stadt Dresden zu wachsen, denn der tiefe Elbstollen zur Entwässerung des Bergbaues in Zaukerode, 1817 bis 1836 im Bau, mündete hier in die Elbe. 1872 wurde das Hofbräuhaus (auf dem Gelände der heutigen Edeka-Kaufhalle) gegründet, 1873-75 die Eisenbahnstrecke Richtung Cossebaude gelegt und 1890 – 94 der Rangierablaufberg mittels Erdaushub vom Hafenbau und der Weißeritzverlegung aufgeworfen. Die neue Weißeritzmündung stach nun in Cotta in die Elbe. Der linkselbische Radweg nach Meißen berührt alle diese Bauwerke. 

Man kann sich vorstellen, dass für diese Bauarbeiten eine Menge an Arbeitskräften benötigt wurden. Diese siedelten sich nach und nach in Cotta an. Der Ortsvorsteher Max Grahl erkannte die Chance und ließ Cotta mit schönen Würfelhaus-Grundstücken und einfachen Wohnhauszeilen (Kammer und Wohnküche) zur Vorstadt ausbauen. 

Der Briesnitzer Kirchenvorstand beauftragte schon längere Zeit einen Hilfsgeistlichen mit der Seelsorge in Cotta. Dazu stand ihm samstagnachmittags die Turnhalle der Volksschule auf dem Gelände des heutigen Gymnasiums zur Verfügung; sonntags wurden darin Gottesdienste sowie Taufen und Trauungen abgehalten. Bald erkannte man, dass eine eigene Pfarrstelle mit Kirche und Vorstand in Cotta von Nöten wäre. So wurde Pfarrer Schmidt am 7. Oktober 1894 – noch in der Turnhalle – als ständiger Pfarrer für Cotta eingeführt. Am 15. Dezember 1894 erteilte man die Baugenehmigung für eine „Interimskirche“ (d.h., eine Zwischenlösung), deren Weihe am 5. Mai 1895 erfolgte. Das Lagergebäude Hebbelstraße 18b ist noch heute als ehemalige Kirche zu erkennen. Gegenüber bezog der Pfarrer eine Wohnung und richtete ein Büro ein.

2. Die Begründung der Parochie Cotta und Beginn des Kirchenbaus 

Am 1. Januar 1897 wurde Cotta selbstständige Kirchgemeinde mit eigenem Kirchenvorstand. Am selben Tag weihte man auch den neu angelegten Friedhof mit Feierhalle auf der Gorbitzer Straße 6 ein. Das deutliche Wachstum Cottas zu jener Zeit lässt sich an weiteren zahlreichen Beispielen verdeutlichen:

  • 1897 Bau der Roten Schule (12.Grundschule) Hebbelstraße 20.
  • 1898 Hallen- und Reinigungsbad Hebbelstraße  (2010 abgerissen)
  • 1901 Einweihung des Rathauses in Cotta
  • 1901 Erste Anbindung an das Dresdner Straßenbahnnetz 

Mit der Eingemeindung der Landgemeinde Cotta in die Stadt Dresden 1903 fand die Entwicklung der Kirchgemeinde ihren Höhepunkt und ihr Ziel. Die Zahl der Kirchgemeindemitglieder belief sich zu der Zeit auf 13.000. 

Die Heilandskirchgemeinde besaß zu diesem Zeitpunkt die oben erwähnte Interimskirche. Es war von Anfang an gedacht, eine steinerne Kirche mit zugehörigen Wohn- und Gemeinderäumen zu bauen, ein Plan, der auch vom damaligen Stadtsuperintendenten Dr. Dibelius vehement unterstützt wurde. Faust´s Erben, das Faustsche Weingut in Cotta,  boten 17.000 qm Land zu 8.- M/qm an, und es wurde eine entsprechende Anleihe aufgenommen. Jedoch ließen sich die Verhandlungen zum Arealausgleich und zu Straßenanbindungen zunächst schwierig an. 

Der Bau der katholischen Kirche 1905 am Hang zum Leutewitzer Park gab den Evangelischen enorme Motivationshilfe, und schließlich erfolgte ein Aufruf zum Ideenwettbewerb. Zum Termin am 13. März 1909 gingen 68 Entwürfe ein, die im Rathaussaal ausgestellt wurden. Die Jury bestand aus dem Oberbürgermeister Beutler, Baurat Erlwein, Superintendent Dr.Dibelius, Geheimrat Wallot, Hofbaurat Fröhlich, Architekt Kittelhain, Pfarrer Schmidt, Ortsvorsteher Grahl und Bauinspektor Seitz. (Man sieht: Cotta ist jetzt Dresden!). Sie legt dem Kirchenvorstand am 12. April 1909 elf Entwürfe zur Entscheidung vor; allerdings entschied man sich erst 1912 für den Vorschlag von Architekt Rudolf Kolbe, der der heutigen Heilandskirche zugrunde liegt. 

Kolbes Ensemble stellt einen Dreiseithof aus Kirche, Gemeindehaus und Pfarrhaus dar und war der damaligen Größe der Gemeinde angemessen. Auffällig ist, dass das Kirchgelände beim Bau um einige Meter aufgeschüttet wurde, so dass man zwar vom Kirchareal aus ebenerdig in die Gebäude eintreten kann, aber das Areal selbst bzw. das große Kirchenportal vom gewachsenen Boden nur über Stufen erreichbar ist. Dies hatte auch überproportional hohe Kellerräume zu Folge. Es heißt, man habe „nicht all zu tief unter“ der Römisch- Katholischen Kirche bleiben wollen. 

Welche Probleme mögen den zögerlichen Baubeginn verursacht haben? Nach der Genehmigung der Kirchenbehörde zum Bau erfolgte am 1. Mai 1914 der erste Spatenstich und am 7. Juni 1914 die Grundsteinlegung. Als Deutschland am 1. August 1914 in den Ersten Weltkrieg eintrat, war der Rohbau bis Ansatz Kuppel und Dach so gut wie fertig. Der Kirchenvorstand, seit 1909 unter Vorsitz von Pfarrer Laube, beschloss jedoch wegen Unverfügbarkeit des in Wertpapieren angelegten Baukapitals den Baustopp und die Abdeckung der Anlage. Zwischen Kriegsende und Inflation wendete man sich wieder der Interimskirche zu und investierte dort großzügig, so dass die begonnene Heilandskirche elf Jahre lang als Investruine herumstand, womit zu Kriegsbeginn vermutlich niemand gerechnet hatte. 

Erst 1924/25 fand man den Mut, eine Entscheidung zur Heilandskirche herbeizuführen. Man lehnte das Kaufangebot einer Industriefirma ab und beschloss den Weiterbau. Wieder zeigten die Kirchenbehörden durch Finanzierungshilfen großes Interesse am Gelingen. Architekt Kolbe war selbst als Bauleiter tätig; Bauführer war ein gewisser Herr Korb. Schon am 26. Mai 1927 konnte die Kirche durch Superintendent Dr. Költsch geweiht werden. Noch ein interessanter Nachtrag zur Finanzierung des Baus: Am 25. Januar 1966 steht im Protokollbuch der Kirchgemeinde: Das Landeskirchenamt hat die Restschuld der Kirchgemeinde (18.000 Goldmark) an die Stadtsparkasse gezahlt und die Gemeinde entschuldet.

3. Flut und Ebbe – die Gezeiten der Heilandskirchgemeinde 

Die Kirchweihe 1927 ermöglichte ein reiches Gemeindeleben. Die Gottesdienste waren gut besucht;  man erzählt von Kindergottesdiensten von bis zu 400 Kindern an Feiertagen. Jungmännerverein,  Mädchengruppen und große Aufführungen des Kirchenchores belebten Kirche und Gemeindehaus. Auch eine Diakonisse als voll angestellte Gemeindeschwester hatte die Gemeinde. 

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 begann auch in der Sächsischen Landeskirche ein dunkles Kapitel. Auf Betreiben der Deutschen Christen (DC,  eine Gruppe von Pfarrern, die sich der „nationalen Erhebung“ verschrieben hatten) erließ Sachsens Innenminister Fritsch am 30. Juni 1933 eine Verordnung, in der dem „Gau-Fachberater für kirchliche Angelegenheiten bei der NSDAP“ und „Führer der Arbeitsgemeinschaft der NS-Pfarrer“ Friedrich Coch die Befugnisse sämtlicher kirchenleitender Organe übertragen und die Landeskirche gleichgeschaltet wurde (nach Georg Prater „Kämpfer wider Willen. Erinnerungen des Landesbischofs von Sachsen D. Hugo Hahn“). 

Auch in Cotta wurde 1933 ein Mitglied der DC in die erste Pfarrstelle gewählt. Daraufhin bildeten sich gegensätzliche Gruppen in der Gemeinde, und Auseinandersetzungen drangen an die Öffentlichkeit. Braune Uniformen waren keine Seltenheit in der Kirche. Das Gemeindeleben ging dennoch weiter, während das Interesse der NSDAP und ihrer Gliederungen, SA und HJ sich mehr und mehr von der Kirche abwendete. Heim-ins-Reich-Kampagnen (Baltikum und Sudetenland) und Kriegsvorbereitung bildeten neue Schwerpunkte. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges hin konzentrierten sich alle Bemühungen in dem Willen, zu überleben. Es wirkt wie ein Symbol für die Verdrängung und fehlende Aufarbeitung der zwölf Jahre von 1933-45, dass das Protokollbuch des Kirchenvorstandes aus dieser Zeit nur als verkohlter Verbrennungsrest erhalten blieb. 

In den ersten zwei Jahren nach dem Krieg blieb die Pfarrstelle unbesetzt, und Pfarrer aus zerstörten Stadtgemeinden übernahmen in Cotta die geistliche Arbeit. Nach etwa zwei Jahren hatte sich die Sächsische Landeskirche aus dem Umfeld der Bekennenden Kirche (BK) neu aufgestellt. 

Mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ergab sich eine andere drastische Entwicklung. Die DDR stellte den Kirchensteuereinzug mit der Lohnsteuer ein und entfernte den Religionsunterricht aus der Schule. Der Sieg des Atheismus wurde forciert. Junge Soldaten traten kompaniemäßig aus der Kirche aus; unter der Propaganda, Religion sei mit dem wissenschaftlichen Sozialismus unvereinbar, unterließen immer mehr Berufstätige die Kirchensteuerzahlung. Hinzu kam für Cotta ein ganz eigenes Problem: Etwa 80% aller Wohnungen im Einzugsgebiet der Heilandskirchgemeinde waren Zwei-Zimmer-Wohnungen, die zwar jungen Paaren Wohnraum boten, genau diese jedoch zum Wegzug zwangen, sobald die Familiengründung begann. Diese Fluktuation junger Gemeindemitglieder erschwerte den Aufbau eines festen Gemeindekerns zusätzlich, was sich auch auf die Kinder-und Jugendarbeit und damit allgemein auf den Gemeindenachwuchs auswirkte. Am Ende der 40 Jahre DDR war die Zahl der Cottaer Gemeindeglieder auf ca. 1.500 gesunken. 

Dennoch gibt es aus dieser Zeit auch Positives zu berichten. Die Kirchenmusik und damit die musikalischen Kreise der Gemeinde stellten stets eine altersübergreifende, aktive Konstante im Gemeindeleben dar und erfreuten sich ständiger Beliebtheit. Ab den 1980er Jahren unterhielt unsere Gemeinde drei Gemeindepartnerschaften mit Goslar und Werlaburgdorf in der BRD und Groningen in den Niederlanden. Besonders die Partnerschaft mit Groningen, die bis ins Jahr 2011 andauerte, gestaltete sich sehr intensiv mit zahlreichen wechselseitigen Besuchen und gemeinsamen Aktionen und war ein wesentliches Element des aktiven Gemeindelebens in Cotta.  

Mit der Wende 1989/90 und dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland und der Übernahme des Pfarrerdienstrechtes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) durch die Sächsische Landeskirche kam es zu neuen, vorwiegend finanziellen Problemen, denen man mit Strukturreformen begegnete. Als der letzte Pfarrer von Cotta 1996 in den Ruhestand trat, wurde die Pfarrstelle aufgelöst. Cotta kehrte nach 100 Jahren als Schwestergemeinde nach Briesnitz zurück. Beide Orte zählten gemeinsam soviel Gemeindeglieder, wie für die zwei dortigen Pfarrstellen vorgesehen waren. 2006 wuchs der Zusammenschluss um die Gemeinden Cossebaude und Gorbitz zum Kirchspiel Dresden-West mit Sitz in Cotta. Diese bewegten Zeiten in Cotta zeigen sich u.a. auch darin, dass in den 20 Jahren zwischen 1990 und 2010 insgesamt vier Pfarrer in Cotta tätig waren, die alle in den Ruhestand bzw. vorzeitigen Ruhestand verabschiedet wurden. Dieser häufige Wechsel erschwerte einen stetigen Gemeindeaufbau zusätzlich. 

Wir blicken jedoch zuversichtlich und voller Gottvertrauen in die Zukunft. Jetzt steht die Restaurierung und künftige Nutzung des großen Kirchenareals an. Beim Pfarrhaus, das von mehreren Parteien als Wohnhausgenutzt wird, dürfte dies kein allzu großes Problem sein. Auch für das Gemeindehaus wurde eine gute Lösung gefunden – dort  ist seit Mai 2012 ein Kindergarten integriert, der künftig nicht nur Miete einbringen soll, sondern auch das Gemeindeleben durch die jungen Familien bereichern wird. Unser Kirchgebäude ist allerdings – außer zu den Kirchspielgottesdiensten – für die heutige Gemeinde viel zu groß, so dass nach Ideen gesucht wird, die Bausubstanz trotz allem zu erhalten. So hat sich z.B. inzwischen ein Förderverein Heilandskirche gegründet, der sich die Finanzierung der Restaurationsarbeiten auf die Fahnen geschrieben hat (http://heilandskirche.jimdo.com/förderverein/), und ehrenamtliche Kirchenmusiker bieten verschiedene Benefiz-Konzertreihen an. Der Förderverein will Gelder akquirieren, um den Innenraum zu sanieren. Das Kirchspiel ist verantwortlich für Planung, Nutzung und Finanzierung. Möge Gott gute Ideen und seinen Segen für diese große Aufgabe schenken – und vielleicht auch wieder eine für unsere Gemeinden günstige Gezeiten-Wende.