Kirchengebäude

Das Gemeindezentrum der Ev.-Luth. Philippus-Kirchgemeinde

Seit 2010 nutzt die Philippusgemeinde Gorbitz für ihre Gottesdienste und vielen Gemeindeveranstaltungen nur noch ihr modernes Gemeindezentrum. Es ist ein architektonisch interessant gestaltetes Gebäude in Klinkerbauweise, das von dem Dresdener Architekten Ulf Zimmermann und Team projektiert wurde. Entscheidend für den Entwurf war die Konzeption der Neubaugemeinde. Aus der intensiven Beschäftigung mit der Geschichte von Abraham (1. Mose 12) hatte sie das Motto abgeleitet „Gemeinde unterwegs“. 

Pfarrer i.R. Johannes Böhme schreibt dazu: „Mose verließ mit seiner Familie und seinen Mitarbeitern seine Heimat. Gott wollte ihn in ein für ihn unbekanntes Land führen. Er sollte nur den Weisungen Gottes folgen. Das bedeutete für Abraham, lange Zeit unterwegs sein zu müssen. Er hatte nur die Zusage Gottes, dass er ihn führen und segnen wolle. Ein klein wenig fühlten wir uns wie Abraham. Wir hatten alle unseren bisherigen Wohnbereich verlassen, bezogen eine neue Wohnung. Als Gemeinde aber hatten wir keinen Raum und lange Zeit weder einen Platz noch genügend Geld, um ein Haus bauen zu können. So waren wir „Gemeinde unterwegs“. Dieses verstanden wir zwar auch geographisch, aber in erster Linie als Ausdruck unseres Glaubens. Gott führt uns als Gemeinde einen Weg. Da werden wir offen sein müssen für Erfahrungen mit Gott, für neue Erkenntnisse, mit denen Gott unseren weiteren Weg kennzeichnen will.“ 

Der Architekt hat diese Botschaft in allen Teilen seines Entwurfes aufgenommen. Das Ergebnis ist nun in dem entstandenen Gemeindezentrum zu betrachten. Noch zu DDR-Zeiten war die Projektierung erfolgt. Am 28. September 1990 konnte der Grundstein gelegt und am Sonntag Exaudi, dem 31. Mai 1992, das Gebäude geweiht werden. 

Wenn man am Leutewitzer Ring vor dem Gebäude steht, laufen alle Wege auf den Haupteingang zu. Zur linken Seite umschließen der Kirchsaal und der 22 m hohe, frei stehende Turm, zur rechten Seite der andere Gebäudeflügel, einen kleinen Vorplatz, so als wollten sie den Besucher zum Betreten des Gebäudes einladen. 

Über drei Differenzstufen, die das Hinaufschreiten auf eine andere Ebene andeuten sollen, und durch eine in Holzrahmen gefasste Glastür erreichen wir den Vorraum. Rollstuhlfahrer können auf einer geneigten Ebene in das Gebäude gelangen. An der linken Mauerseite werden wir auf den mit einer Plakette versehenen Grundstein hingewiesen. Auf der Plakette lesen wir die Aufschrift: DAS FUNDAMENT IST GELEGT; JESUS CHRISTUS; NIEMAND KANN EIN ANDERES LEGEN: 1. Kor. 3, 11. Auf diesem Fundament sind das Haus und die Gemeinde aufgebaut. 

Durch eine weitere Glastür erreichen wir das Foyer. Von der ersten Etage herunter grüßt uns eine wie eine Hand geformte Blattpflanze in ihrem saftigen Grün. Jetzt stehen wir im Kommunikationsbereich. Dieser trennt die Räume auf der rechten und auf der linken Seite. Aber zugleich gibt er durch eine Glasfront den Blick frei zu einem Forum im Außenbereich. 

Der Symbolcharakter dieses Kommunikationsbereiches ist deutlich. Auf unserem „Unterwegssein“ brauchen wir Pausen, um uns auszuruhen und um neue Kraft schöpfen zu können. Wir brauchen Zeit, um miteinander zu reden und zu überlegen, welchen Schritt wir als nächsten gehen sollten. Stehen bleiben dürfen wir nicht. Der Blick nach außen fordert uns zum Weitergehen auf. Wir sind „Gemeinde unterwegs“. Und wo finden wir die Kraft zum Weitergehen? Die Antwort gibt uns u. a. ein Gobelin, von dem Künstlerehepaar Rosemarie und Werner Rataiczyk aus Halle gestaltet. Der Gobelin befindet sich an der linken Klinkerwand, die den dahinter befindlichen Kirchsaal abgrenzt. „Sinnzeichen Baum“ ist das Thema, entnommen aus der einen Schöpfungserzählung in 1. Mose 2. Dort wird der „Lebensbaum“ genannt, ein Symbol für das von Gott geschenkte Leben. 

Wenn wir genau hinsehen entdecken wir, dass der Baum die Form eines Kelches hat. Dieser wiederum ist ein Hinweis auf das Heilige Abendmahl, in dem wir die Gegenwart Jesu feiern. So ist der Gobelin wie ein Wegweiser zu dem wichtigsten Raum des Hauses, dem Kirchsaal. Der Eintritt wird uns ermöglicht durch eine mit Holz gerahmte Glastür. Wir treten ein. Unsere staunenden Blicke erfassen den Raum. Wir setzen uns, schweigen, lassen unsere Blicke und Gedanken schweifen. Wohlige Wärme und das Gefühl der Geborgenheit umfangen uns. Wie ein Zelt ist der Raum gestaltet. Naturelemente Holz, Stein, Glas bestimmen den Bau. Auch das ist ein Symbol für das Unterwegssein. Das Klinker-Sichtmauerwerk, mit dem das gesamte Gebäude gestaltet ist, weist auf den organischen Zusammenhang von drinnen und draußen hin. 

Die farbigen Fenster ziehen unseren Blick an. Manche sind wie ein schmaler Schlitz geformt, andere breiter. Sie wurden von dem Dresdener Künstler Jürgen Seidel (geb. 1924) gestaltet, der auch den Entwurf für die Paramente fertigte. 

Das mittlere Fenster verdient besondere Beachtung. Wir sehen viele Linien, gerade, kurvenreiche, verschlungene. Zwischen ihnen befinden sich farbige Felder, z. T. aus kräftigem Blau oder Rot. Helle und dunkle Farben sehen wir. Es sind unsere so ganz verschieden gebildeten Lebenslinien. Und so bunt ist unser Leben: Helles und Dunkles, Freude und Leid kennzeichnen unser Dasein. Aber alle Linien laufen letztendlich auf einen großen roten Punkt zu: Unser Lebensziel. Dieser „Zielpunkt“ findet sich auch im grünen Antependium für das Lesepult. Nun ist jeder Betrachter gefragt: Was ist dein Lebensziel? Ist es Gott? Die Botschaft dieses Fensters und der mit Rot als Symbol der Liebe gefüllte Punkt, sagen uns: Unser Lebensziel darf Gottes Liebe sein, die uns im Leben, im Sterben und in der Ewigkeit umfassen will. Alle Linien enden in diesem Punkt, die der Glaubenden und der Nichtglaubenden. 

Im Unterschied zu den meisten anderen Kirchen ist die Philippuskirche nicht mit handgewebten Antependien ausgestattet, sondern mit Textil-Applikationen. Die vier Sätze (weiß, grün, violett und rot) jeweils für den Altar und das Lesepult wurden von dem Dresdener Künstler-Ehepaar Gertraude und Jürgen Seidel geschaffen. Die Textilgestalterin Gertraude Seidel (1924-2011) führte die Entwürfe ihres Mannes aus. 

Für die weißen und grünen Antependien haben sich die Künstler von Stellen aus der Offenbarung des Johannes inspirieren lassen. Wenn wir das grüne Altarparament von weitem betrachten, könnten wir zunächst meinen, es sei ein florales Motiv mit Blättern dargestellt. Bei näherem Hinsehen entdecken wir mehrere Engel – die Posaunenengel aus dem 8., 9. und 11. Kapitel der Offenbarung. Die Posaunen sollen den Betrachter aufwecken, ihn daran erinnern, dass das Ende weltlicher Herrschaft kommen wird. Der siebente Engel ist allerdings auf dem Antependium des Lesepults dargestellt. Er bringt den Siegesruf und lässt wieder den roten Zielpunkt aufscheinen. Die Predigt von Gottes Wort soll Menschen helfen, das Ziel ihres Lebens zu finden. Sie soll die Hoffnung vermitteln, dass Gott die Herrschaft über diese Welt gehören wird. 

Manche fragen, warum gibt es kein großes Altarbild? Die Antwort: Der Besucher soll zum Nachdenken über sein Leben angeregt und nicht durch ein Bild beeinflusst werden. Einen Denkanstoß gibt die Applikation an der Wand hinter dem Lesepult. Dazu schreiben die Künstler Gertraude und Jürgen Seidel: „Bei der Bildidee wurde davon ausgegangen, dass die erzielte Harmonie des durchgestalteten sakralen Raumes nicht zur Utopie von Lebensfremdheit führen darf. Die Menschen, die diesen Raum betreten, bringen Aggressionen, Diskrepanzen, Spannungen mit herein. Mit der farbigen Stoffkomposition soll dieses Profane dargestellt werden.“ Wir sehen Menschen mit und ohne Gesicht, Bekannte und Anonyme und im Hintergrund ein Hochhaus. Das ist Gorbitz. Die Applikation mahnt den Betrachter, den anderen Menschen wahrzunehmen und nicht einfach an ihm vorüberzugehen. Wir sind als Gemeinde auch für die Menschen „draußen“ da. Auch ihnen gilt die Botschaft Jesu, die vom Lesepult aus verkündigt wird. 

Wir schauen zum Altarplatz. Der Altartisch, transportabel, kann uns an die Bundeslade des Volkes Israel erinnern. Die Menschen trugen sie als Zeichen für die Gegenwart Gottes auf ihrem Weg durch die Wüste. Für uns ist die „Mensa“ der Abendmahlstisch, an dem Jesus seine Gemeinde versammelt. Um diesen Tisch bildet die Gemeinde bei der Abendmahlsfeier durch Handreichen einen geschlossenen Kreis. Damit drückt sie aus, dass Jesus uns so untereinander verbindet wie er jeden einzelnen an sich bindet. 

Die Leuchter auf dem Altar, das Altarkreuz sowie der Osterleuchter sind von dem Quohrener Bildhauer und Kunstschmied Peter Pechmann (geb. 1943) sehr massiv aus Eisen geschmiedet. Der Künstler schreibt dazu: „Das herbe, ernste Eisen zu gestalten, ist mein tiefes Anliegen. Wenn es hier auf dem Altar dem Licht und der Wärme dienen darf, kommt die gegensätzliche Charakteristik zur Steigerung – das schwere, dunkle Materielle aus den Tiefen der Erde mit dem schon fast nicht mehr Materiellen des Lichtes – und alles im Dienste der Erde und Gottes … Die sechseckige Grundform [der Leuchter] deutet auf die Formkraft der Biene, aber auch auf ihre Licht- und Wärmeverbindung.“ Von Peter Pechmann stammen auch die aus Silber getriebenen Abendmahlsgeräte und die Taufschale. 

Durch eine Faltwand getrennt, schließt sich an den Kirchsaal ein fast ebenso großer Gemeindesaal an, der zu Gottesdiensten den Kirchsaal vergrößert. Separat wird er für Sitzungen und verschiedenste andere Veranstaltungen genutzt. Seitlich befindet sich ein von Karl-Heinz Adler (geb. 1927) gestaltetes Ensemble von Tafelbild und Fenstern, das ein in Blau- und Grautönen gestaltetes Kreuz hervortreten lässt. Dieses korrespondiert mit dem Kreuz in einem runden Fenster des gleichen Raumes. 

Dank der Bauausführung nach 1990 – die Philippuskirche ist wahrscheinlich der erste Sakralbau in den neuen Bundesländern nach der friedlichen Revolution – konnte das Gebäude nach dem neuesten Stand der Technik gebaut und ausgestattet werden. Die Gemeinde freut sich über eine Fußbodenheizung ebenso wie über die behindertengerechte Gestaltung des Gemeindezentrums. Eine Mikrofonanlage ermöglicht die Übertragung z.B. des Gottesdienstes in alle Räume des Hauses. Hörgeschädigte können eine Hörschleife nutzen. Die Feier des Gottesdienstes wird auf CDs aufgezeichnet, die auf Anfrage in die Wohnungen kranker Gemeindeglieder gebracht werden können. Auch dies gehört zur „Gemeinde unterwegs“. 

Wir konzentrieren uns jetzt auf die Osthälfte des Gebäudes. Wir gehen durch die Räume, die für unser „Unterwegssein“ benötigt werden: die Küche mit ihren modernen Geräten, geeignet für jede Art der Beköstigung. Räume zum Versammeln in kleinen Gruppen: Kinder, Konfirmanden, Jugendliche, Senioren, Frauen, Männer, Musiziergruppen, Behinderte, Kirchenvorstand u.a. haben hier die Möglichkeit, entsprechend ihrem Anliegen, zusammenzukommen und Gemeinschaft zu erleben. Dabei geht es um Zurüstung für das „Unterwegssein“ durch Gottes Wort. Büroräume dienen der Verwaltung. Auch eine Bibliothek und eine kleine Wohnung im Obergeschoss gehören zum Gemeindezentrum. 

Wir verlassen das Foyer durch die hintere Glastür und betreten das Forum im Außenbereich. In der Form eines kleinen Amphitheaters laden Bänke zum Sitzen und Ausruhen ein. Dieser Platz wird u.a. für Konzerte und Feste genutzt. Das Außengelände ist sinnvoll durch Treppen, kleine Mauern und Sitzecken gegliedert. Der Besucher findet sowohl einen Rückzugsort als auch Stellen, an denen er mit anderen kommunizieren kann. Bäume und Sträucher spenden Schatten und schaffen eine grüne Oase. 

Wir wenden uns um und entdecken, wie sich die Dachfläche schützend über den ganzen Bau legt. Auch dies vermittelt das Gefühl von Ruhe und Geborgenheit. Über der Horizontalen grüßt uns der Glockenturm. 

Wie ein Kampanile steht er etwas entfernt vom Eingang des Gemeindezentrums. Drei Glocken bringen ihren Ruf in die Weite des Neubaugebietes. „Ich will dich segnen“, verkündet die eine die Zusage Gottes. „Du sollst ein Segen sein“, so sagt es die zweite Glocke. Dann wird „die Gemeinde unterwegs“ ermuntert, den Segen Gottes weiter zu tragen zu den Menschen. Und sie bekommt Kraft dazu geschenkt mit dem Hinweis auf der dritten Glocke: „Friede sei mit euch“. 

Wenn die Gemeinde die Botschaft ihres Gemeindezentrums so aufnimmt, wird sie auch weiterhin unterwegs sein zu den Menschen und mit den Menschen. Und sie wird mit ihnen gemeinsam den Weg zu Gott gehen. So drückt es die Plakette aus, die am Beginn des Weges modelliert worden ist: „Gemeinde unterwegs“.


Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums unseres Gemeindezentrums haben wir zusammen mit dem Pellmann-Verlag Dresden eine Hochglanzbroschüre als Kirchenführer für das Gemeindezentrum der Ev.-Luth. Philippus-Kirchgemeinde herausgegeben. Diesen Kirchenführer (16 Seiten, 120 x 170 mm, Farbfotos und Text) können Sie gegen eine Spende von 2,50 € erwerben.